Drei Personen an einem Stehtisch in der Halle der Forschungsfabrik

[Interview] Adaptivität und langfristige Wertschöpfung mittels KI

Kognitive Industrielle Systeme (KIS) heißt eine neue Abteilung des Fraunhofer IOSB Karlsruhe. Sie ist aus der vormaligen Gruppe Cyberphysische, verteilte Systeme hervorgegangen, in Räumlichkeiten der Karlsruher Forschungsfabrik auf dem Campus Ost des KIT umgezogen und hat derzeit 16 feste Mitarbeitende. Drei Fragen an den frisch gebackenen Abteilungsleiter Dr. Julius Pfrommer.


Herr Pfrommer, die Mission Ihrer Abteilung ist es, intelligente Komponenten und Verfahren für eine flexible, ressourceneffiziente Produktion zu entwickeln. Das heißt?

Wir haben zwei Themenlinien, die jeweils von einer Forschungsgruppe bearbeitet werden. Die Gruppe »Intelligente Cyberphysische Systeme« arbeitet unter Leitung von Dr. Constanze Hasterok an neuartigen KI-Verfahren für die Industrie, die auf Daten, aber auch dem vorhandenen Vorwissen zur physikalischen Umwelt aufsetzen. Die große Herausforderung ist hier, nicht beim Prototypen stehenzubleiben, sondern die Lösungen umzusetzen und langfristig zu betreiben. Hierbei ergeben sich interessante Fragestellungen, weil sich im Lauf der Zeit sowohl Systemkomponenten (etwa durch Verschleiß oder Schwankungen im Ausgangsmaterial) als auch die externen Rahmenbedingungen verändern, was Korrekturen an den KI-Modellen nötig machen kann. Wir forschen daran, wie man solche Veränderungen überwachen und Modelle automatisch anpassen kann. Unsere Expertise erstreckt sich also über den ganzen Entwicklungs- und Lebenszyklus von KI-Lösungen – wir wissen, wie man sie für die reale Wertschöpfung nutzbar machen kann, auch langfristig.

Thema Nummer zwei entspricht dann der Gruppe Adaptive Produktionssysteme?

Genau. Hier geht es darum, durch kognitive Komponenten mehr Autonomie in automatisierte Systeme zu bringen. Die klassische Automatisierung ist sehr gut darin, den immergleichen Prozess mit minimalem Aufwand ablaufen zu lassen. Andreas Ebner und seine Gruppe sorgen dafür, dass die Systeme auch adäquat reagieren, wenn Unvorhergesehenes eintritt. Das können Störungen sein oder immer neue Produktvarianten und -konfigurationen, die der Markt in vielen Branchen verlangt. Da will man natürlich nicht jedes Mal die Fabrik stilllegen um die Fertigung umzukonfigurieren. Deshalb forschen wir an Ansätzen für eine modulare Produktion mit vielfältig einsetzbaren Ressourcen und an der Produktionssteuerung mittels Prinzipien der Selbstorganisation. Das Ziel ist, flexibel und intelligent reagieren zu können, ohne jeden Sonderfall manuell zu programmieren und aufwändig zu validieren. Wir bringen aber auch Expertise bei der grundlegenden industriellen Kommunikationsinfrastruktur mit, insbesondere durch unsere federführende Rolle bei der Entwicklung von open62541. Diese Open-Source-Implementierung von OPC UA hatte ich gemeinsam mit Doktoranden anderer Standorte im Rahmen meiner Dissertation begonnen. Heute liefern auch große Automatisierungs-Hersteller Hardware-Komponenten mit open62541 als Grundlage für die Kommunikation aus.

KIS ist in die Karlsruher Forschungsfabrik gezogen – warum?

Wir haben hier die fantastische Chance, im Industriemaßstab Prozesse aufzubauen und mit Partnern an realen Systemen zu arbeiten. Schwierigkeiten entstehen oft, wenn industrielle KI-Anwendungen von der Prototyp-Umgebung in reale Produktionsanlagen und Steuerungs-Hardware übertragen werden. Diesen Schritt hin zur Industrialisierung können wir in der Forschungsfabrik gehen – und bleiben dabei in einer für schnelle F&E-Zyklen optimierten Umgebung. Wichtig ist für uns, die richtigen Daten aus dem Betrieb von Anlagen zu bekommen. Dafür entwickeln wir mit Schwester-Abteilungen ein System, das Experimentreihen zur Erfassung von Trainingsdaten an realen Produktionsanlagen automatisiert mittels Robotern durchführt.

Dieses Interview ist zuerst im Newsletter InfOSB, Ausgabe 1/2023, erschienen.

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