Schlafende Fahrer erkennen: Wie unsere Forschung Assistenzsysteme für mehr Sicherheit im Auto revolutioniert

Warum befasst sich die Forschung mit Schlafen im Auto?

Müdigkeit ist nach wie vor eine verbreitete Unfallursache. Fahrerassistenzsysteme und Automatisiertes Fahren können zwar die Folgen von Müdigkeit und Sekundenschlaf abschwächen, verstärken andererseits aber auch die Gefahr hinter dem Steuer einzuschlafen. Denn wenn das Fahrzeug selbst fährt, nimmt die Monotonie für den Fahrer zu – die Systeme können, insbesondere für schläfrige Fahrende, nämlich ein trügerisches Gefühl der Sicherheit erzeugen.

Die Forschung hat als effektivste und auch gesündeste Gegenmaßnahmen gegen Schläfrigkeit am Steuer ausreichend Schlaf sowie kurze Nickerchen (Power Naps) identifiziert. Bisher ist dafür ein Halt auf einem passenden Parkplatz notwendig, der aber die Reisezeit deutlich verlängert. Diese Hürden verhindern vielmals die Umsetzung.

Automatisiertes Fahren wird in Zukunft, also ab Level 4 der Automatisierung, die Möglichkeit bieten, die Fahraufgabe vorübergehend vollständig dem Fahrzeug zu überlassen. Dies eröffnet dann zeitweise die Möglichkeit während der Fahrt zu schlafen.  Die effektivste Gegenmaßnahme gegen Schläfrigkeit am Steuer könnte dann, ohne Hürden und ohne Zeitverlust, sicher angewendet werden. Lange Autofahrten bieten dann Phasen der Erholung und eine sinnvolle Nutzung der Reisezeit.

Für sicheres und erholsames Schlafen im Auto gibt es allerdings noch Herausforderungen, die Forschende untersuchen.

Passive Sicherheit

Nicht nur Verantwortliche für die Fahraufgabe, sondern alle Insassen, müssen auch in Schlafpositionen im Fahrzeug gesichert werden. Nach heutigem Forschungsstand ist hierfür eine sitzende Position mit Abstand die sicherste Option. Sogenannte Zero-G-Positionen sind ebenfalls empfohlen und ermöglichen einen guten Kompromiss zwischen Komfort und Sicherheit. Bei drohenden Unfällen können aktive System die Sitzposition auch optimieren, so dass die Insassen bestmöglich geschützt werden.

Komfortabel Schlafen

Erholsamer Schlaf hängt an vielen Faktoren. Auf einige hat der Fahrzeuginnenraum Einfluss. Bspw. bequeme Sitze und die bestmögliche Sitzeinstellung, angemessenes Klima, Ruhe, angepasste Lichtverhältnisse und schlaffördernder Content im Infotainment. Viele Gelegenheiten für Schlaf sind auch auf bestimmte Zeitfenster begrenzt. Wenn es darum geht, genügend Schlaf zu bekommen, ist schnelles Einschlafen und Aufwachen eine wichtige Stellschraube für die Sicherheit und Akzeptanz im Fahrzeuginnenraum.

Fahrtüchtigkeit

Eine große Hürde für sichere Schlafphasen im Auto besteht in der Wiederherstellung der Fahrbereitschaft. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, zuverlässig aufzuwachen. Beim automatisierten Fahren kann es aber immer wieder Situationen geben, bei denen ein wacher Mensch im Auto erforderlich ist. Sei es bei anstehendem Ende der (automatisierten) Fahrt oder bei wichtigen Ereignissen oder einfach zur gewünschten Weckzeit.

Auch wenn Schlaf an sich Schläfrigkeit am Steuer effektiv vermeidet oder reduziert, kommt es durch Schlaf leider kurzfristig oft zu negativen Effekten auf die Reaktionsfähigkeit und Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen: Schlaftrunkenheit, oder im wissenschaftlichen Jargon Sleep Inertia, tritt häufig nach Schlaf auf, insbesondere nach abrupter Schlafunterbrechung. Die Gründe für Sleep Inertia und auch Gegenmaßnahmen sind dabei bis heute nicht zufriedenstellend erforscht. Gesichert ist, dass sich Sleep Inertia zuverlässig nach dem Aufwachen abbaut – in einem Zeitraum bis zu 30 Minuten. Fahrsimulatorstudien, u.a. von Fraunhofer, zeigen, dass Sleep Inertia immer auftreten kann und die Fahrleistung beeinträchtigt. Das Ausmaß ist jedoch noch unerforscht ebenso wie ein möglicher hinnehmbarer Grenzwert.

Welchen Schwerpunkt legt das Fraunhofer IOSB, um Schlafen im Auto zu ermöglichen?

Passive Sicherheit: Eine sichere Schlafposition erfassen und sicherstellen

Am Fraunhofer IOSB entwickeln wir Kamerasysteme, die die Körperposen aller Insassen im 3D-Raum erfassen können. Wir forschen damit an sicheren Sitz- und Schlafpositionen in PKW, LKW und Bussen. Unser Advanced Occupant Monitoring System unterscheidet sichere und unsichere Sitzpositionen.

Wir arbeiten zudem an Akzeptanzkriterien für proaktive Interaktion, Hinweise auf levelkonformes Verhalten, Tutoren für bestimmungsgemäßen Gebrauch und KI-generierten User Interfaces, die hochindividuell und situativ eine Kommunikationsform wählen, die maximal komfortabel und hilfreich ist. Das Ziel dieser generierten, individuellen Kommunikation ist es, von übermäßigen Piepkaskaden zu einer angemessenen und persönlichen Kommunikation zu kommen, die Warnungen reduziert, indem sie Verständnis und Kenntnis der Schlafsituation schafft.

Komfortabel Schlafen: Ergonomische Sitzeinstellung basierend auf biometrischer Vermessung

Die bestmögliche Sitzeinstellung zu finden ist nicht immer einfach, für erholsamen Schlaf im Auto aber essenziell. Wird die Sitzposition vor dem Einschlafen mehrfach korrigiert, verhindert dies schnelles einschlafen. Unpassende Sitzpositionen verhindern erholsamen Schlaf. Mit unserer im Occupant Monitoring integrierten 3D-Körperposenerfassung können wir eine individuelle Sitzposition vorschlagen oder einstellen, die, wenn überhaupt, nur noch geringfügig korrigiert werden muss.

Zudem erlaubt die Erkennung der Körperposition und Körperteile eine Anpassung der Belüftung für effiziente und zugfreie Klimatisierung. Und die Erkennung der Kopfposition erlaubt die Abschattung der Augen.

Am Fraunhofer IOSB erforschen wir zudem Einschlafzeitpunkte, Schlaf und Aufwachzeitpunkte über nicht-invasive optische Sensoren zu erfassen. Dies erlaubt u.a. eine Anpassung des Infotainments, der Klimatisierung und die Vermeidung von Störungen.

Fahrtüchtigkeit: Zuverlässig aufwachen und Sleep Inertia abbauen

Wir forschen an Möglichkeiten, Schlafen im Auto sicher umzusetzen. Darunter fällt die Feststellung der Fahrbereitschaft vor der Übergabe der Fahraufgabe an den Menschen. Unser Advanced Occupant Monitoring System erkennt, wann Fahrzeuginsassen aufwachen, auf welchem Sitz sie sich befinden, ob sie in einer passenden Sitzposition zur Übernahme der Fahraufgabe angekommen sind und auch ob sie Bereit für die Fahraufgabe sind.

Desweitern erforschen wir die Erkennung von Sleep Inertia und andere Fahrerzustände, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.

Ausblick

In dem vom BMWK geförderten Forschungsprojekt SALSA treiben wir die Forschung und Entwicklung zu sicherem Schlafen im Auto, zusammen mit Partnern aus Industrie und Forschung, voran. Für noch sicherere und wettbewerbsfähige Transportmittel.


Sie planen eigene Forschung rund um den Fahrzeuginnenraum der Zukunft, die Interaktion zwischen Mensch und KI-Systemen oder zu KI-generierten User Interfaces? Wir realisieren Ihr Projekt! Sie möchten selbst an diesen Themen mitarbeiten? Bewerben Sie sich! Sie suchen den wissenschaftlichen Austausch und Fortschritt? Wir auch!